Wie kommen längere Züge auf die Schiene?

Ein Zug der DB am Bahnsteig des Bahnhofs Ortrand
© Marion Hunger

Der VBB arbeitet stets an einer Verbesserung des Angebots, um das Fahren im Zug so angenehm und einfach wie möglich für die Fahrgäste zu machen. Immer mehr Menschen sollen sich in Berlin und Brandenburg für eine Fahrt mit den Öffis entscheiden und so die Verkehrswende vorantreiben. Doch wie kommen längere Züge tatsächlich auf die Schiene? Und warum dauert das oftmals länger, als es sich Fahrgäste und alle Beteiligten wünschen?

In vier Schritten zum längeren Zug

Werfen wir einen Blick zurück: Mit Inkrafttreten des Regionalisierungsgesetzes im Jahr 1996 wurde die Verantwortung für den Regional- und S-Bahnverkehr von der Bundes- auf die Landesebene übertragen. Die Bundesländer Berlin und Brandenburg beauftragen seitdem die VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH (VBB GmbH) mit der Vergabe, Bestellung und Koordinierung von Zugfahrten im SPNV.

Das Verfahren lässt sich anhand dieser vier Schritte gut darstellen: 

  1. Angebotsplanung mit VBB-Expertise
    Die Länder Berlin, Brandenburg, zum Teil auch benachbarte Bundesländer, beauftragen den VBB zur Angebotsplanung. Hierzu gehören beispielsweise Takte, Betriebszeiten, Kapazitäten und Qualitätsstandards. Die Bevölkerungs- und Nachfrageentwicklung wird vom VBB langfristig beobachtet. Wie viele Menschen wohnen zukünftig in unserer Region, welche Pendlerstrecken werden wichtiger? Wie ist die Verkehrsnachfrage und wie wird sie sich in Zukunft entwickeln? Es finden zahlreiche Befragungen statt, zum Teil mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Natürlich wird diese Konzeptionsphase auch mit den Landkreisen und kreisfreien Städten gespiegelt. Der VBB tritt an dieser Stelle mit Kommunen, Fahrgästen und lokalen Interessensgemeinschaften in den Dialog. Die Erkenntnisse aus diesen Analysen fließen dann in eine Vergabe ein.
     
  2. Erarbeitung und Abstimmung der Vergabeunterlagen
    In einem zweiten Schritt werden die Vergabeunterlagen erarbeitet. Die Ergebnisse der Analysen aus Schritt 1 bestimmen nun, wie oft die Züge auf einer bestimmten Strecke fahren sollen und wie lang sie sein müssen. Außerdem werden von den Ländern und vom VBB bestimmte Anforderungen an die Fahrzeuge festgelegt. Hier steht einerseits der Fahrgast-Komfort im Fokus und es werden Anforderungen z.B. an die Barrierefreiheit oder die Verfügbarkeit von WLAN festgelegt. Andererseits wird der Verkehrswende Rechnung getragen, indem der VBB etwa alternative Antriebe fordert. Das Erstellen dieser exakt an die lokalen Bedürfnisse angepassten Vergabeunterlagen dauert ca. ein Jahr
     
  3. Durchführung des eigentlichen Vergabeverfahrens
    Der Nahverkehr auf der Schiene wird im öffentlichen Wettbewerb vergeben. Der VBB veröffentlicht also die in Schritt zwei erarbeiteten Kriterien in einer Ausschreibung. Diese Ausschreibung startet ungefähr fünf Jahre vor der Betriebsaufnahme. Darauf können sich Eisenbahnverkehrsunternehmen dann bewerben, indem sie dem VBB ein Angebot zukommen lassen. In dem Angebot beschreiben sie, zu welchem Preis sie mit welchen Zügen die Anforderungen umsetzen wollen.
     
  4. Vom Zuschlag bis zur Betriebsaufnahme
    Das Unternehmen mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot gewinnt die Vergabe. Sofern in der Ausschreibung so festgelegt, können auch mehrere Unternehmen gewinnen. Das ist immer dann der Fall, wenn die Vergabe in mehrere Teilpakete, sogenannte Lose, unterteilt wird. Ist der Zuschlag an ein Eisenbahnunternehmen erteilt, geht es los: Die Mammut-Aufgabe ist das Beschaffen bzw. Ausrüsten der Züge und der manchmal nötige Ausbau der Infrastruktur. Dieser Prozess ist ebenso aufwendig wie kostspielig. Insgesamt nimmt er ca. vier Jahre Zeit in Anspruch. Rechtzeitig vor der Betriebsaufnahme zum Fahrplanwechsel unterzeichnen alle Beteiligten einen Verkehrsvertrag. Dann muss auch das Personal für die neuen Strecken und die neue Technik fit gemacht werden. Rechtzeitig bevor der Vertrag ausläuft, beginnt das Vergabeverfahren von vorne.

Warum dauert das so lange?

Der Bau der Züge und Werkstätten, die Rekrutierung und Schulung von Personal nimmt den größten Zeitanteil in Anspruch. Die Laufzeit von Verkehrsverträgen beträgt rund zehn bis 15 Jahre, denn Züge sind ein sehr langlebiges Produkt und haben eine Lebenszeit von mindestens 30 Jahren. Je länger ein Verkehrsunternehmen die Garantie bekommt, seine Züge in einem Vertrag einzusetzen, desto günstiger ist der Preis, den es im Angebot unterbreiten kann. Auch eine Wiedereinsatz-Garantie für die Folge-Vergabe senkt den Preis. 
Außerdem muss für jede Veränderung möglicherweise auch die Infrastruktur angepasst werden. Will man etwa längere Züge, müssen auch die Bahnsteige entsprechend lang und genügend Platz auf dem Gleis vorhanden sein. Wenn das nicht der Fall ist, muss parallel zur Vergabe auch der Ausbau der Infrastruktur bewältigt werden.

An einem gesamtheitlichen Ausbau des SPNV im Verbundgebiet arbeitet der VBB in seinem Infrastrukturprojekt i2030. Hier werden von vorneherein alle Faktoren sorgsam berücksichtigt und gesamtheitlich mitgedacht. Der Name des Großprojektes richtet sich nicht umsonst an einem Zeitpunkt in ferner Zukunft aus: Eine für alle Beteiligten gute Infrastrukturplanung – mit einem fairen Wettbewerb für die Verkehrsunternehmen, bequemem und sicherem Bahnfahren für die Fahrgäste auf langfristig sinnvoll geplanten Strecken – will Weile haben.